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Meine Bäuchin und Ich

Meine Bäuchin und Ich haben eine sehr lange Geschichte miteinander, und leider eine, die von sehr viel Ablehnung und Leid bestimmt war. Ich meine, klar, jeder Mensch wird mit einem Bauch geboren und ohne geht's ja auch nicht. Aber das meine ich auch nicht.

 
Meine Bäuchin Geschichte fängt mit dem Übergang von Kindsein zum Frausein an. Wo meine Körperin anfängt, runde, weiche weibliche Formen zu formen. Es wird mir sehr schnell klar, ich bin nicht schmal und schlank gedacht.

Und leider, das Gemenge aus Sätzen meiner Kindheit und Jugend: "zu dick", "guck mal, die erste Cellulite Delle", "hast du aber einen sehr gesunden Appetit", "warst auch schonmal etwas weniger" usw. und das gängige Schönheitsideal, das schlanke und schmale Frauen als Norm hat, ergeben, dass ich meine Kurven, und vor allem meine Bäuchin, von Anfang an bekämpfe. Anstatt meine wunderbaren Formen zu feiern als den weiblichen Ausdruck meiner Essenz, will ich sie einfach nur weg haben. Bin neidisch auf schlanke Frauen, weite Kleidung verbirgt alles Runde. Selbst in Phasen, wo ich durch viel Selbstdisziplin und Kontrolle schlanker bin, ist die Bäuchin immer noch da.

Wie oft ich für schwanger gehalten wurde und wie schmerzhaft das für mich war, weil mein Kopf es gleich für mich immer übersetzte: "Du bist zu dick".
Wie hässlich und mangelhaft ich mich fühlte. Und wie unglücklich ich mich damit machte. Und immer dachte, wenn ich keinen Bauch mehr habe, dann wird alles gut und dann bin ich glücklich. (Mal so ganz vereinfacht zusammengefasst).

Und jetzt spule ich mal ein ganzes Stück nach vorne, in die Gegenwart. Ich bin auf La Gomera und assistiere der wunderbaren Ulla Ka bei einem Frauen Tantra Seminar. Ich habe selbst schon so eigenes an Heilung bezüglich meiner Weiblichkeit hinter mir, Wunden geschlossen und neue Wege gegangen. Ich biete selbst Frauenkreise an, wo ich Frauen ermutige, sie selbst zu sein und sich so anzunehmen, wie sie sind. Immer mit dem liebevollen und wohlwollenden Blick auf die Anderen, die ich wunderbar so feiern kann, wie sie sind. Und so dachte mir im Vorfeld, ach schön, da werde ich zur Abwechslung ja mal nicht in einen eigenen Prozess kommen. Nun ja, weit gefehlt.
An Tag Eins, in der Meditation, kommt ganz vehement meine Körperin und vor allem meine Bäuchin in den Vordergrund. Die Sache ist nämlich die, zur Zeit bin ich wieder sehr rund und weiblich, und habe, aller Heilung zum Trotz, wieder angefangen, mich für meine Formen zu schämen und meine Bäuchin zu kaschieren und zu verstecken. Bin unglücklich über mein Gewicht. All der alte Kram.
Und zu merken, ja, bei allen anderen kann ich das ganz prima mit dem Wohlwollen und dem liebevollen Blick, nur bei mir selbst ist das eine völlig andere Nummer. Ich habe eine ziemlich heftige innere Bodyshamerin in mir, ganz tief drinnen, das Gemeine braucht nicht mehr von außen zu kommen. Die Gehässigkeit bezüglich meiner Körperin trage ich in mir. Autsch.

Und da ist sie nun und spricht mit mir, meine Bäuchin. Ganz klare und zarte Botschaft: "Lerne mich zu lieben in all meinen Formen. Zeige mich. Sei da für mich. Wie willst du denn sichtbar werden und ganz Du sein mit all deiner Power und deinem weiblichen Weg, wenn du einen so wichtigen weiblichen Teil von dir ablehnst? Ich bin du, und du schneidest dich von deiner Quelle ab, wenn du mich wegmachst. Ich gehöre zu deiner Essenz. Ich gehe mit deinen kreativen Ideen schwanger und trage sie aus. Bitte, bitte ehre und würdige mich endlich. Schließe bitte endlich Frieden mit mir."

Und das ging tief, soviel ist klar. Mit einer Eindringlichkeit und Tiefe, die mich nach all dem Jahren spiritueller und psychotherapeutischer Prozesse und Begleitung doch sehr überrascht. Und es steckt eine so tiefe Wahrheit drin, der ich mich nicht entziehen kann. Und auch nicht mehr will. Denn ich will ich sein und mich so komplett annehmen, wie ich bin.

Und, ich bin auf einem guten Weg. Das ist etwas, was ich sehr an mir schätze. Ich schaue mir meine Themen an und laufe nicht weg. Wohin denn auch? Also geht der Weg eben mitten durch.

Damit gehe ich jetzt. Durch viel Trauer und Schmerz. Schicht um Schicht tiefer nach innen. Und merke, wie tief die innere Bodyshamerin in mir sitzt. Wie viel es neu zu erlernen und zu erlieben gibt. Ich bin seitdem auf einer noch tieferen Reise zur Selbstfürsorge und Selbstliebe. Und wie sehr es eine Reise zur eigenen Kraft ist, zum Angebundensein zur großen Göttin selbst. Eine Reise zu mehr Selbstbestimmtheit und Sichtbarkeit.

Das schmerzhafte Erkennen, wie krass es ist, in einer Gesellschaft zu leben, die weibliche Formen so unsichtbar macht. All das, wo unsere kreative Essenz sitzt und unser Sein. Was wäre alles möglich, wenn wir Frauen ganz selbstverständlich unsere Körperinnen so feiern würden, wie sie uns mitgegeben wurden und auch den zyklischen Wandel begrüßen könnten als die Natur, die wir sind? Ich glaube, dass sich dann einiges sehr schnell verändern würde.

Und so atmen und leben wir, meine Bäuchin und Ich, jeden Tag ein Stückchen mehr in einen Satz hinein, den ich seit Jahren kenne und jetzt mit Liebe und Leben ausfüllen mag:

Ich bin wie der Mond, ich bin mal etwas mehr und mal etwas weniger. Ich nehme zu und ich nehme ab. Das ist mein natürlicher Zyklus.

Was ist deine Geschichte mit deiner Bäuchin? Lass es mich wissen in den Kommentaren. 

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Kommentare: 8
  • #1

    Anne (Sonntag, 01 August 2021 09:25)

    Ein wunderbarer Text, liebe Sina, spricht mich auch an….

  • #2

    Anke (Sonntag, 01 August 2021 09:54)

    Danke liebe Sina. Wundervoll!

  • #3

    Sina (Sonntag, 01 August 2021 10:19)

    Ich freue mich, dass euch der Artikel so anspricht :-)

  • #4

    Susanne (Sonntag, 01 August 2021 13:56)

    Ich liebe weibliche Formen in allen Facetten. Und... Zugegebenermaßen gehören sanfte Rundungen unbedingt dazu.
    Bei anderen besonders.

    Bei mir... Na ja... Ich übe noch. �

    Daher: Herzensdank für das Aussprechen deiner Gedanken und Gefühle dazu.
    Das ist mutig.
    Das ist liebevoll.
    Das ist Sisterhood pur.
    ❤️

  • #5

    Sina (Sonntag, 01 August 2021 15:37)

    Liebe Susanne,
    Ein Herzensdank für diesen schönen und sanften Kommentar zu meinem Artikel. Ich die spüre dich in deinen Worten ��

  • #6

    Nicole (Mittwoch, 11 August 2021 20:58)

    Liebe Sina…
    Was für eine wunderschöne Geschichte die ihr erlebt habt… es tat mir gut sie zu lesen, Zeile für Zeile dachte ich… ja… so sollte es sein… so viel Nähe, Akzeptanz und Liebe zu sich selbst… deine Geschichte zu lesen wärmt und fühlt sich rund und weich an… ein Gefühl von Sehnsucht kommt in mir hoch …
    Einfach… danke �

  • #7

    Shivani Vogt (Freitag, 03 Dezember 2021 17:13)

    Sooooo viel Bauchliebe. Du hast mich berührt mit deinen Zeilen, danke.

  • #8

    Sigrid (Sonntag, 12 Dezember 2021 22:16)

    Was für eine lebendige Verbindung zu Dir Deiner Geschichte und der Baeuchin. Auf dem Wege zur Selbstliebe einer Göttin. Fordert mich heraus nach meiner "Baeuchin" zu forschen. Vielen Dank