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Der alte Olivenbaum auf Kreta

Es ist September 2021. Ich bin Teilnehmerin auf einer Frauenheilreise auf der Insel Kreta. Wir sind an einem uralten Frauenkraftplatz im Schweigen. Die Aufgabe ist es, einfach mit dem Tag und der dortigen Kraft zu sein und sich einen Ort zu suchen, der frau ruft und dort zu verweilen mit dem heiligen Quellwasser, das dort stetig und fröhlich sprudelt. Ein ganz besonderes Wasser, dem bis heute große Verehrung zuteil wird.

 

Ich suche also meinen Ort, wo ich den Schutzkreis um mich ziehen soll und wo ich verweilen und einfach sein soll, um zu lauschen, was der Ort mir zu sagen hat.

Ich bin den Tag nicht so gut drauf, fühle mich einsam und verloren und weiß nicht so recht, was ich hier gerade mache.

 

Ich laufe über das Gelände, ich habe Flipflops an. Es ist warm und ich will neues Quellwasser aus der Quelle holen. Ich bin im Stress und weiß nicht so recht, wo ich mein Ei legen soll.

 

Ich laufe auf dem Weg zur Quelle am alten Olivenbaum vorbei, stolpere und stoße mir den großen linken Zeh so sehr an einem Stein auf, dass es anfängt zu bluten. Na toll, auch das noch. Ich laufe weiter und hole Wasser. Ich denke mir, wenn sich mir schon kein Ort zeigt, dann kann ich auch an den Strand und eine Runde schwimmen. Auf dem Weg zum Strand komme ich erneut am alten Olivenbaum vorbei. Und, an der gleichen Stelle, stolpere ich schon wieder und stoße mir an der gleichen Stelle am Zeh den linken Zeh blutig.

 

Autsch – und ok, jetzt meine ich zu verstehen, dass der Ort möchte, dass ich bleibe.

 

Ich nähere mich dem alten Olivenbaum, frage, ob ich willkommen bin. Bin ich. Ich suche mir am Stamm ein schattiges Plätzchen und setze mich. Ich suche mir eine möglichst bequeme Position, und, sobald die gefunden ist, sinke ich in eine tiefe Entspannung.

 

Ich werde zum uralten Baum, fühle meine Wurzeln, meinen Stamm und die wenigen Blätter, die ich trage. Ich brauche nicht mehr viele Blätter, denn meine Wurzeln nähren mich. Ich atme tiefen Frieden und Gelassenheit. Ich bin einfach da. Ich verliere den Bezug zur Zeit, ich weiß nicht, wie lange ich dort sitze und zusammen mit dem Olivenbaum atme und verbunden bin. Menschen kommen vorbei und ich nehme sie kaum wahr, sie stören meine tiefe Ruhe nicht.

 

Der Baum schenkt mir zu der sinnlichen Erfahrung auch eine weitere

Botschaft: Mit tiefen Wurzeln kommst du gut durch die Stürme der Zeit.

 

 

Nach und nach tauche ich wieder auf an die Oberfläche dieser Zeit, bedanke mich beim Olivenbaum für die Geschenke und gehe in Frieden und gut geerdet weiter, jetzt voller Freude zum Strand, um dem Meer meine neue Verbundenheit zu erzählen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Ursula (Mittwoch, 10 November 2021 19:58)

    wunderbar - wie schööön - Danke fur Dein Teilen Sina�